Das langsame Sterben der SS America
von Thorsten Totzke
America
Sammlung Thorsten Totzke
Die United States Lines hatte besonders in den 20er Jahren große Erfolge mit der Leviathan, der ehemaligen deutschen Vaterland.
Aber irgendwann nagte der Zahn der Zeit auch an diesem prächtigen Schiff.
Der Ingenieur William Francis Gibbs konstruierte daher ein Schiff, welches die Leviathan ersetzen sollte.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Der Bauauftrag für das Gibbs Wunderschiff wurde im Oktober 1937 unterschrieben. Bauen sollte das neue Schiff die Newport News Shipbuilding and Dry Dock Co.
Bereits am 22. August 1938 wurde der Kiel gelegt und nur ein Jahr später, am 31. August 1939 um 11:50 Uhr vormittags, wurde das Schiff von Eleanor Roosevelt, der Frau des Präsidenten, getauft.
Als dann Anfang Juni 1940 die Probefahrten stattfanden, wurden 42850 PS gemessen und eine Geschwindigkeit von 25,3 Knoten erreicht.
Vollausgerüstet hat das neue Schiff nun 17.000.000 US-Dollar gekostet.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Nun konnte am 2. Juni 1940 der Neubau an die United States Lines übergeben werden. Aber wegen des in Europa tobenden zweiten Weltkriegs wurde das Schiff erstmal nicht auf der Nordatlantikroute eingesetzt, sondern für Kreuzfahrten.
Daher war die Jungfernfahrt der SS America, die am 10. August 1940 begann, keine Atlantikpassage sondern eine Kreuzfahrt von New York nach Westindien mit 780 Passagieren an Bord.
Die Kreuzfahrtkarriere sollte aber nur 10 Monate dauern.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Am 15. Juni 1941 übernahm die US Navy das Schiff um es als Truppentransporter zu nutzen. Bereits bei der Planung des Schiffes wurde dieser Umstand eingeplant.
Die America bekommt im September auch einen neuen Namen und ist nun als USS Westpoint auf den Meeren unterwegs.
Bewaffnet mit vier Fünfzoll-Geschützen, und mit einem Tarnanstrich versehen, legte die Westpoint während des Krieges 500.000 Seemeilen zurück (ohne Überholung der Maschine!) und beförderte 500.000 US-Soldaten zu den Schlachtfeldern in Europa.
Nachdem Ende des Krieges transportierte die Westpoint dann die Soldaten wieder in die Heimat und in vielen Fällen auch die Kriegsbräute, welche sich die GIs in Deutschland angelacht hatten.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Am 22. Juli 1946 war dann die Zeit des Kriegseinsatzes zu Ende und die Westpoint wurde aus dem Transportdienst entlassen.
Wieder im Besitz der United States Lines wurde das Schiff erneut umbenannt und bekam seinen ursprünglichen Namen, America, wieder.
Die Reederei schickte ihr Flagschiff zurück zur Bauwerft, wo das Schiff in rund 4 Monaten komplett restauriert und teilweise umgebaut wurde. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 8 Millionen Dollar.
Nun konnte die SS America endlich auf der Strecke eingesetzt werden, für die sie konstruiert worden war.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Am 14. November 1946 begann ihre erste Reise im Liniendienst von New York nach Le Havre.
Auf dieser Strecke fuhr die America nun für die nächsten Jahre bevor die United States Lines beschloss, den Dienst nach Deutschland auszudehnen.
Daher erreichte das Schiff am 25. Oktober 1951 zum ersten Mal seinen neuen Endhafen in Bremerhaven.
Die nächsten Jahre im Leben der America liefen sehr erfolgreich ab. Das Schiff fuhr Gewinne ein und es gab keine größeren Probleme.

America neben der United States im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Im Juni 1952 stieß dann die neue United States zur America und die beiden Schiffe fuhren nun im Wechsel auf der renommierten Route.
Dann, im September 1963, führte ein Streik der Besatzung dazu dass eine Passage gestrichen werden musste.
Als der Streik beendet war, wurde die America bis Anfang 1964 aufgelegt.
Im Februar 1964 wurde das Schiff dann wieder in Betrieb genommen.
Allerdings waren die Tage der America bei der United States Lines gezählt.

America und United States
Sammlung Thorsten Totzke
Aufgrund ihres Alters und dem Umstand das die United States das Passagieraufkommen gut alleine bewältigen konnte, beschloss man das Schiff zu verkaufen.
Am 14. November 1964 wurde die America dann für 6,5 Millionen US-Dollar an die griechische Reederei D & A Chandris in Piräus verkauft.
Die Chandris Reederei änderte den Namen des Schiffes in Australis und ließ es nur zwei Tage nach dem Kauf, am 16. November 1964 mit griechischer Besatzung von Newport auslaufen mit Ziel Piräus.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Nach der Ankunft in Piräus wurde das Schiff dann für 5,5, Millionen Dollar zum Einklassenschiff für 2300 Passagiere umgebaut.
Hierbei wurde unter anderem auch eine Klimaanlage eingebaut, der achtere Mast wurde demontiert und auf dem achteren Schornstein wurde ein Signalmast montiert.
Als alle Umbauten beendet waren, begann am 21. August 1965 die zweite Karriere als Australis.
Die erste Reise führte das Schiff von Piräus nach Sydney in Australien.
Danach begann am 16. Oktober 1965 die erste von vielen Reisen im "Um-die-Welt"-Dienst.

Australis
Sammlung Thorsten Totzke
Nun fuhr das Schiff regelmäßig auf der Strecke Southampton, Mittelmeer, Australien, Neuseeland, Panama, um danach wieder in Southampton einzutreffen.
Am 22. Oktober 1970 ereignete sich dann an Bord eine Katastrophe, die schnell hätte eskalieren können.
Die Australis ist gerade auf dem Pazifik unterwegs, als in einer Küche ein Brand ausbricht, der sich ausbreitet. Erst nach 9 Stunden schafft man es, unter Einsatz aller Kräfte, den Brand unter Kontrolle zu bringen.

Australis
Sammlung Thorsten Totzke
Als der Liner im Hafen von Fidji einläuft, ist ein Mitarbeiter der Chandris Line bereits vor Ort und innerhalb von nur 12 Tagen schafft dieser es, das Schiff wieder Flott zu machen.
Aber auch bei der Chandris Reederei zeigte sich irgendwann das Ende für die Australis.
Daher fuhr die Australis am 18. November 1977 zum letzten Mal von Southampton ab.
Danach wurde das Schiff dann in dem neuseeländischen Hafen Timaru aufgelegt.

Australis
Sammlung Thorsten Totzke
Am 18. Mai 1978 verkauft die Chandris Reederei das Schiff an die American Cruise Line mit Sitz in Panama. Die Firma änderte kurz danach ihren Namen in Venture Cruise Lines.
Der Verkaufspreis ist für die Chandris Reederei ein gutes Geschäft. Die American Cruise Line zahlt 6,5 Millionen Dollar und somit das gleiche was Chandris 13 Jahre zuvor für das Schiff bezahlt hatte.
Als die Australis am 19. Mai 1978 in New York eintrifft wird das Schiff von den neuen Besitzern wieder auf den alten Namen America getauft.
Nach einer kurzen Überholung beginnt am 30. Juni 1978 die erste Kreuzfahrt der America.
Die Fahrt führt von New York nach Martha`s Vineyard.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Doch bereits wenige Wochen später, am 20. Juli 1978, ist die Venture Cruise Lines gezwungen, den Betrieb einzustellen.
Die Geschäftsführer der Firma tauchen unter und die Banken versuchen durch eine Versteigerung der America wenigstens einen Teil der Außenstände wieder zubekommen.
Die öffentliche Auktion fand am 18. August 1978 statt.
Die Auktion beginnt bei nur 150.000 Dollar und endet bei 1.000.010 Dollar. Der Käufer ist niemand anders als die Chandris Reederei, die das Schiff genau drei Monate vorher für 6,5 Millionen Dollar verkauft hatte.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Ein sehr gutes Geschäft, welches der griechischen Reederei da gelungen ist. Nach einer Generalüberholung des Schiffes, bei der unter anderem der vordere Schornstein demontiert wurde, beginnt das nun in Italis umbenannte Schiff Mitte 1979 mit Kreuzfahrten im Mittelmeer.
Aufgrund der Ölkrisen und den damit verbundenen starken Erhöhungen der Ölpreise wird das Schiff immer unrentabler für die Reederei und so wird die Italis bereits am 12. September 1979 in Piräus aufgelegt.
Bereits im Mai 1980 kann Chandris das unrentable Schiff an die Inter Commerce Corporation verkaufen. Dies ist eine Tochtergesellschaft der Cie Noga d'Importation et d'Exportation in Panama. Hinter dieser Firma stehen Schweizer Interessenten.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Wieder bekommt das Schiff einen neuen Namen und heißt nun Noga.
Eigentlich soll das Schiff als schwimmendes Hotel genutzt werden, stattdessen wird es aber in der Bucht von Eleusis aufgelegt.
Nachdem das Schiff vier Jahre lange regungslos aufgelegen hat wird es für die Silvermoon Ferries Ltd. registriert und bekommt erneut einen neuen Namen.
Nun heißt es Alferdoss, was übersetzt "Das Paradies" bedeutet.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Ein Wassereinbruch im Maschinenraum machte eine Reparatur erforderlich, aber weder als Noga noch als Alferdoss hat das Schiff je seinen Liegeplatz in der Bucht von Eleusis verlassen.
Das änderte sich erst 1993 als die Alferdoss an die Chaophraya Transport Co. in Panama verkauft wird und - wie sollte es anders sein - mal wieder einen neuen Namen bekommt.
Nun heißt das Schiff American Star.
Geplant ist, das Schiff in Phuket, Thailand, wieder flott zu machen.
Daher beginnt am 27. Oktober 1993 eine Schleppfahrt nach Phuket. Hierfür wurden die beiden Propeller abmontiert und an Deck gelagert, um dadurch den Widerstand im Wasser zu verringern.
Um Kosten zu sparen, geht die Fahrt nicht durch den Suez Kanal.

America Schiffspost
Sammlung Thorsten Totzke
Am 12. Januar 1994 befindet sich der Schlepper NEFTEGAZ-67 mit der anhängenden American Star auf Höhe von Gibraltar.
Fünf Tage später gerät der Schleppverband dann in einen Orkan auf dem Atlantik. Dreimal bricht die Schlepptrosse.
Danach werden die vier Besatzungsmitglieder der Schlepperfirma, die sich an Bord der American Star befanden mit Hubschraubern vom Schiff geborgen, bevor man das Schiff seinem Schicksal überlässt.
Als am 18. Januar 1994 die Sonne aufgeht, ist die American Star an der Westküste von Fuerteventura gestrandet.
Dabei ist der Rumpf in der Mitte gebrochen.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Obwohl der Strandabschnitt, an dem das Schiff gestrandet ist, dem Militär gehört fangen junge Insulaner an, das Wrack systematisch zu plündern.
Alles was irgendwie noch nützlich oder Wertvoll erscheint wird von Bord geholt.
Das Schiff wird am 06. Juli 1994 im Lloyds Register offiziell zum Totalverlust erklärt.
Das hindert die Inselbewohner jedoch nicht daran, das Schiff weiter zu plündern.
Obwohl es aufgrund von Strömungen rund um das Wrack sehr gefährlich ist, zu dem Schiff zu gelangen wird das Plündern fast schon professionell betrieben.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Das Verteidigungsministerium schließt zwischenzeitlich Verträge mit einer griechischen Firma, welche die Überreste des Schiffes abwracken soll.
Der griechische Geschäftsmann lässt daraufhin auf der ganzen Insel Publik machen, das man gegen die Plünderer vorgehen will.
Außerdem werden Materialien für den Bau von Unterkünften in der Nähe des Wracks gestapelt. Hier sollen die Arbeiter die von der griechischen Firma auf der Insel angeheuert werden sollen, untergebracht werden.
Aufgrund der Gefährlichkeit finden sich jedoch auf der Insel keine Arbeiter und auch der Versuch, Arbeiter aus Griechenland einfliegen zu lassen, scheitert.
Da die Griechen die vertraglichen Fristen nicht einhalten können fällt das Schiff wieder an das Verteidigungsministerium zurück.

America
Sammlung Thorsten Totzke
Die Plünderer haben zwischenzeitlich eine Art Seilbahn zwischen dem Wrack und dem Strand installiert, an der man per Muskelkraft Menschen an Bord bringen kann und die Fundstücke von Bord schaffen kann.
Diese Technik wurde wenig später automatisiert, indem man ein altes Auto als Antrieb nutzte.
Das Achterschiff des Wracks verfällt zusehends. Ende 1996/Anfang 1997 ist es schließlich soweit, das die komplette hintere Hälfte des Wracks sich auf die Seite legt und im Meer verschwindet.
Nur ab und zu kann man noch ein wenig davon aus dem Wasser ragen sehen.

Speisekarte
Sammlung Thorsten Totzke
Die Insulaner sehen nun zu das sie auch die letzten Sachen von Bord bergen können. Das ganze ist ein lebensgefährliches Unterfangen.
Zwei der Plünderer sterben so in der Mannschaftsmesse des Schiffes. Dort unten tief im Bauch des Wracks sind bereits alle Bullaugen ausgebaut und das Wasser des Nordatlantik schießt mit einer riesen Wucht durch die Löcher im Rumpf. Das kostete den beiden Männern das Leben.
Aber auch an Deck kann es gefährlich sein.

Speisekarte
Sammlung Thorsten Totzke
Bei Schießübungen der Marine wird an einem Tag auch der Schornstein des Wracks getroffen, woraufhin alle Plünderer das Wrack Fluchtartig verlassen.
Aber Sie kehren wieder und holen auch noch die letzten Reste aus dem Wrack. So gibt es in Puerto del Rosario, der größten Stadt und auch Hauptstadt von Fuerteventura, eine Kneipe die komplett mit Gegenständen der American Star ausgerüstet wurde.
Hier finden sich auch Sachen, wie z.B. einer der riesigen Kühlschränke von Bord.

Brief von der Jungfernfahrt
Sammlung Thorsten Totzke
Auch eine der beiden an Bord verbliebenen Propeller sollte geborgen werden. Leider misslang der Versuch und der Propeller versank in den Tiefen des Meeres.
In den Jahren gab es immer wieder wagemutige Menschen, die umbedingt an Bord mussten. Dabei starben mindestens 8 Menschen und mindestens 11 Menschen mussten mit dem Hubschrauber gerettet werden.
Nach der Sturmzeit Ende 2005 ist nun auch der verbliebene Bugteil des Wracks nahe am Kentern. Er neigt sich immer mehr nach Backbord und es wird wohl nur noch eine Frage von Monaten sein bis die SS America endgültig ihre Ruhe in den Gewässern um Fuerteventura findet.

Kofferabhänger
Sammlung Thorsten Totzke
Ende November 2006 war der Großteil der Deckaufbauten des Wracks verschwunden. Lediglich das Deck selbst war Anfang Dezember noch vorhanden.
Ende November 2007 sind nur noch Fragmente des einstigen Liners sichtbar.
2013 sind Wrackteile bei ruhiger See sichtbar gewesen.
2015 vesanken die letzten Reste des verbliebenen Bugteiles im Meer, sodass man heute nichts mehr von dem einstigen Luxusliner sehen kann.